der letzte Akt

Die letzte Etappe zurück nach Kiel startet von Tananger, westlich von Stavanger in Südwest-Norwegen. Für die Strecke haben wir keine Crew zusammenbekommen und irgendwann haben der Gatte und ich dann auch beschlossen, die Strecke mal alleine zu machen. Also steige ich Samstagmorgen um 6:00 Uhr in Hannover in den Flieger, lande um 9.00 Uhr in Stavanger und um 10:30 Uhr reißen wir schon die Leinen los und geben Vollgas. Hektik,Panik, Fußpilz, wir wollen nächsten Samstag in Kiel sein! Selbstverständlichst schlüpfe ich aus den Zivilisationsklamotten und steige in mein stinkendes Ölzeug. Und schon wieder pfeifst uns um die Ohren. Um vier Uhr noch im warmen Bettchen in Hannover, um 11:00 knatter ich schon Norwegens Westküste runter durch die Kreuzseen. Mein Körper ist hier, mein Hirn braucht noch etwas!

40 nm südlich liegt Egersund, wo wir nochmal Wetter checken und uns für eine Route über die Nordsee entscheiden wollen. Wir haben z.Z. die Wahl zwischen

1.) 200 Seemeilen Egersund-Skagen mit Scheißwelle, Strom gegen an und 100 nm davon platt vorm Laken mit später abflauendem Wind auf 15kn… also Welle, wenig  Wind und den auch noch genau von hinten … mein spezielles Träumchen! Oder 2.) 140 Seemeilen nach Thyborøn mit Scheißwelle, Strom gegen an, Schauerböen und 35kn Wind später zunehmend…  

Wir entscheiden uns für die Roßkur.

 

In Egersund ist übrigens Oktoberfest: „ Ein Prosit, ein Prosit….“ Oh haua haua ha! Wir halten uns die Ohren zu und Kay intoniert Hans Albers… auch nicht besser.

 

Am nächsten Morgen gemütliches Aufstehen. Da wir planen im (wieder)Hellen in Thyborøn anzukommen, haben wir es nicht ganz so eilig.

 

Die Nordsee empfängt uns nord-see-isch: das leichte Klatschen der Wellen an die Bordwand, das süße Säuseln des Windes, fliegende Einhörner und rosa Bussibären. Kay und ich fahren unseren bewährten Rhythmus. Alles schön.

Wie immer sind wir zu schnell. Wir surfen nach 20 Stunden auf einer schönen Abschlußwelle in tiefschwarzer Nacht in Thyborøn rein und legen uns noch fast auf die Klappe. Hallo Skipper: auf der ganzen Spitzbergentour ist Dir das nicht einmal passiert! Jetzt mal nicht schwächeln.

Thyborøn stinkt nach Fisch, wir sind fit und beschließen einfach weiter zu fahren bis die erste Brücke uns stoppt. Hinter uns knallt besagtes Tief an die Westküste Dänemarks, wir sind im Limfjord… kratzt uns nicht mehr. Wir haben jetzt Hunger, die Schultermuskeln brennen und wir haben beide massiv „Rücken“ 😊 zunächst müssen wir in der Fahrrinne aber noch die Fahrwassertonnen mit dem Scheinwerfer suchen, da die Dänen Sparfüchse sind und nur jede fünfte Tonne befeuern. Witzbolde!

Als die Sonne aufgeht hau ich 8 Eier in die Pfanne und koch Kaffee… wie sich die Welt auf das Essen reduzieren kann. Wir futtern wie die Bekloppten. Es wird ein toller Tag im Limfjord. Strom und Wind mit uns knattern wir bis Aalborg weiter und haben so in einem Rutsch auch gleich ¾ des Limfjords hinter uns. Läuft bei uns. Kay steuert mit dem großen Zeh und bohrt beidhändig in der Nase: klare Anzeichen der akuten Unterforderung.

 

In Aalborg sitzen wir übrigens beim ersten Anlegerversuch auch mal wieder fest: ach ja , da war ja was: Dänemark = flach… wir sind wieder größtes Schiff im Hafen!

 

Mein Ölzeug befindet sich olfaktorisch und optisch in einem fortgeschrittenen Stadium der Verwesung. Da weiß ich doch schon gleich, was es zu Weihnachten gibt. Obwohl: Typen, deren Ölzeug in der zweiten Saison immer noch wie geleckt aussieht, können ja auch nicht wirklich was gerissen haben und sind somit eher suspekt. … doch kein neues Zeug und lieber zottelige Kanalratte mit dem Flair des Verruchten als Messe-schick und nicht für voll genommen.

 

 

Der DWD sagt für den nächsten Tag West 7-8, Schauerböen 9-10. Aha. Na denn. Wir stecken die Nase aus dem Limfjord und es haut uns mit 40+Knoten auf die Mütze. Hallooo? Das ist der OSTsee! LEEKÜSTE! Ich glaub es nicht, aber die Ostsee macht einen auf dicke Hose. Na gut: nehmen wir die Finger halt wieder aus der Nase, knautschen unsere Fock bis zur Unkenntlichkeit zusammen und schalten erneut in den Starkwindmodus. Es reicht langsam! Ein Klopper nach dem anderen jagt über uns hinweg, Spitze 55 kn. Dafür sind die Wassertiefen putzig: 6m… 5,5m…3,8m… bis Grenå nix über 15m. Ungewohnt. Max Speed erreichen wir 10,5 Knoten und wir beschließen, daß 5 Knoten von dem kümmerlichen Vorsegel-Stummel und 5 Knoten von der Sprayhood kommen. Vielleicht sollten wir da noch so Öhrchen drannähen, so Chickenwings zum Tuning 😊

 

 

Mittwoch dann von Grenå nach Middelfart. Wir machen Dampf. Ausruhen können wir auch im Kleinen Belt. Vor Endelave kreuzen wir uns nen Wolf und die blöde kurze Welle läßt uns jegliches schnelles Vorrankommen vergessen. Kay tauft es :“ Das Gebumse vor dem Herrn“. Es wird wieder dunkel bis wir in Middelfart liegen. Egal. Jetzt haben wir Masse Zeit.

 

 

Stinkefaul verlegen wir am nächsten Tag 10 nm nach Süden in die Dyvig. Wir wollen am Freitag in Sonderbord mit der halben Family essen gehen und außerdem Merle für den letzten und endgültigen Schlag nach Kiel an Bord nehmen. Deshalb genießen wir jetzt nen faulen Tag und speisen fürstlich im Hotel in der Dyvig. Ach ja: und wir DUSCHEN!

 

 

Am nächsten Tag wohlriechend nach Sonderburg, wo wir von einem Teil unserer Family mit Fanartikeln begrüßt werden und wieder fürstlich essen gehen.

 

Die allerletzte Etappe, Sonderborg -Kiel ist dieselbe wie auf der Hinfahrt… nur leider ohne Sicht. Merle und ich verpieseln uns in die Kojen. Zwei Meilen vor Kiel tauchen wir wieder auf und nehmen Haltung für den Landfall an 😊

 

Gut so, denn wir werden am Leuchtturm Bülk von einem Empfangskommando via Motorboot, Flaggen und Luftballons begrüßt! Die Einfahrt nach Kiel Schilksee wird wieder von Beate und Martin musikalisch unterlegt, Korken knallen und wir legen auf dem Sahneplatz direkt unterm Hafenmeister an. Trotz offensichtlicher Enge am Kran, denn viele Eigner sind schon am Mastenlegen und Kranen. Anscheinend wurden die zur Seite geschubst, um Platz für uns zu machen, denn einige gucken etwas böse. Das ist uns aber in dem Moment völlig schnuppe.

 

Kay stellt den Motor ab und dann ist sie zu Ende. Unsere Spitzbergenexpedition. Ein unglaubliches Gefühl: alle gesund wieder da, das Schiff heile und ohne nennenswerte Schäden! Ich platze vor Stolz auf Kay. Muß ich ja mal zugeben. Hat er toll gemacht. Seine Erleichterung spüre ich deutlich. Wir trinken irgendwas, was uns gerade in die Hand gedrückt wird und umarmen all die Menschen, die uns bei den Vorbereitungen so tatkräftig unterstützt haben.

Alles gut gegangen. Danke.